ZUM NACHDENKEN

In letzter Zeit habe ich mir immer wieder Gedanken gemacht, ob Politik wie wir das in Österreich erleben, nicht auch anders funktionieren könnte. Da die zwei Regierungsparteien, auf der anderen Seite drei Oppositionsparteien. Es passiert nur das, was die Regierungsparteien wollen. Die Opposition kann zwar Vorschläge machen oder Anträge bringen – Chancen auf die Umsetzung gibt es kaum. Wäre es nicht sinnvoll, dass die kollektive Intelligenz bei den Abgeordneten „angezapft“ wird? Ich habe zuletzt im Rahmen einer Zoom-Konferenz die deutsche Politik-Aktivistin Claudine Nierth erlebt, die da meinte, ihre Vision wäre es, dass nach einer Wahl, wo sich die unterschiedlichen Parteien beworben haben, dann die Parlamentarier zu einer neuen Einheit werden – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Und dass dann Themen von jenen besetzt werden, welche die entsprechenden Kompetenzen mitbringen. Politik in der uns bekannten Form wie eingangs beschrieben, lässt vieles an Potential brach liegen. Kann es sein, dass wenn der „Falsche das Richtige sagt, es falsch ist“? Können und wollen wir immer so weiter tun?

In diesem Kontext ist mir auch der Philosoph Volker Gerhardt, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin eingefallen, der sich mit dem Thema „Sicherheit“ intensiv befasst: Für ihn ist Politik schon immer eine Reaktion auf innere und äußere Risiken gewesen. „Was könnte bedeutsamer sein als die Erhaltung und Entfaltung des alltäglichen Lebens?“, fragt der Philosoph, „Und wie konnte es geschehen, dass die elementare Sicherung des menschlichen Lebens in Vergessenheit geriet?“

Schärfer formuliert: „Wie war es möglich, dass die Politik sich selbst zur größten Gefährdung der Zivilisation auswachsen konnte? Die Politik sollte für Befriedung sorgen. Doch es gibt nichts, wodurch der Mensch sich so sehr gefährdet hat wie durch die Politik.“ Die Hüterin der Sicherheit als größtes Sicherheitsrisiko. Gerhardt denkt dabei an die zwei Weltkriege oder die Gefahr einer atomaren Katastrophe aber auch die Gefährdung von Natur und Gesundheit.

Dies alles sei möglich, weil die Politik aus Gründen der Machtsicherung immer wieder auf einer „Faszination für Extremlagen“ verfalle, statt sich um die „eigentlichen Aufgaben“ zu kümmern: Das sind „die Vermeidung und Schlichtung von Streit, der Kampf gegen die Ursachen der Ungleichheit, die Förderung von Erziehung und Bildung, das Setzen wirtschaftlicher Impulse und schließlich die Bereitstellung von Hilfen in unverschuldet eintretenden Fällen der Gefährdung und der Not.“

Wäre nicht alles was Politik soll, in diesem Absatz vorhanden? Das würde vermutlich nur dann möglich sein, wenn man sich von „Macht“ verabschiedet. Sollte der gesamte Themenkomplex „Politik“ nicht ernsthaft neu angedacht werden? Nur – so befürchte ich – sind wir Menschen dazu nicht reif genug.

Christian Aichmayr

1 Gedanke zu „ZUM NACHDENKEN“

  1. Politik bedeutet die Verwaltung von Macht – wer darf welche Entscheidungen fällen. Deshalb sind unsere Grundprobleme struktureller Art:

    – Wir haben keine echte Demokratie (wie in der Schweiz), denn die Bürger haben keinen Einfluss auf Sachentscheidungen. Ein rechtsverbindliches Volksbegehren, das bei Erfolg automatisch zu einer Volksabstimmung führt, wäre ein Schritt in diese Richtung. Wir haben eine Wahloligarchie: wir dürfen zwischen verschieden Cliquen entscheiden, haben aber keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung.

    – Die Gewaltenteilung – ein Grundpfeiler einer Republik – wird in Österreich (wie in den meisten „Demokratien“) elegant umgangen. Wie kann es sein, dass der Obmann einer Partei der Legislative Chef der Regierung (Exekutive) ist und die Parteien (im Parlament, im Bundesrat) inkl. BP die Höchstrichter bestimmen (die ja wohl auch wegen Parteienzugehörigkeit bestimmt werden)?

    – Das Subsidiaritätsprinzip wird in Österreich komplett vernachlässigt.

    – Die Parlamentsparteien in Österreich sind zu mächtig – Konkurrenz zu ihnen wird einfach nicht zugelassen: Gemessen an der Bevölkerungszahl haben wir die höchste Pro-Kopf- Förderung von Parlamentsparteien auf der Welt. Damit werden vorallem Medien finanziert und durch deren Nicht- oder Fehlberichtung und andere absurde Hindernisse werden Nicht-Parlamentsparteien unüberwindbare Hürden in den Weg ins Parlament gelegt.

    Alles in allem kann man nur von System-Korruption sprechen. Solange dieses korrupte System nicht durchbrochen wird, sollte man – wenn man seine Sinne beisammen hat – keine großartigen Verbesserungen in der Politik erwarten.

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