WAS IST EIGENTLICH „LINKS“ ?

EIN GASTBEITRAG VON ALFRED WASSERMAIR

Alfred Wassermair postet regelmäßig auf Facebook zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen. Ich bin Dauerleser seiner Blogs, die ich überaus gelungen finde. Er hat mir auf meine Anfrage gestattet, diesen Artikel auf der Website der Bürgerliste Rutzenham zu veröffentlichen …

Die Meinungen darüber, was linke Politik ist, gehen nicht nur in Österreich weit auseinander. Die Rechten bemühen sich aus naheliegenden Gründen*  linke Politik als verkappten Kommunismus, der letztlich Totalitarismus anstrebt, darzustellen und die wenigen verbliebenen marxistisch – leninistisch inspirierte Kommunisten halten linke Politik für Wischiwaschi. Ähnlich wie in der McCarthy-Ära** in Amerika wird eine Skandalisierung des Begriffs Links versucht.    Den neuen Parteiobmann der SPÖ, Andreas Babler, tituliert der rechtsextreme Wurm-Siegfried Herbert Kickl abfällig als „den linken Vogel aus Traiskirchen“. 

Eine ähnliche Atmosphäre versuchen alle rechten Parteien in Europa immer noch zu schaffen, denn Links heißt Vorrang des Menschen vor dem Kapital.                                                                                                                                        

Rechte Politik ist neoliberale Politik, die für die Privilegien der Reichen antritt und die von Kreisen aus Industrie und Wirtschaft finanziert wird. Schade, dass so viele aus der Schicht der Lohnabhängigen das nicht begreifen.  Erinnert auch an die Spendenlisten des Herrn Kurz, das Who ist Who der Reichen, an Pierer, an Novomatic (zahlt alle) und – Gott hab sie seelig – die Milliardärin Heidi Horten, die der ÖVP monatliche Überweisungen zukommen ließ.  Oder mit welcher Begeisterung HC Strache und Gudenus davon schwadronierten, was sie alles mit der Kronenzeitung anstellen, wenn die russische Oligarchin sie in ihre Dienste stellt.

Staat und Demokratie sind in erster Linie ein soziales Unternehmen. Wenn das nicht gewährleistet ist, dann ist der Staat gescheitert. Wenn ein Staat nicht mehr in der Lage ist, für alle die gleichen Rechte und Pflichten durchzusetzen und die gemeinsam erwirtschafteten Vermögenswerte gerecht zu verteilen, ist der Staat nutzlos. Wenn 1% der Bevölkerung – so wie in Österreich – über 50% aller Vermögen verfügt, dann ist etwas dramatisch schief gegangen.  Demokratie steht für eine Lebensform, in der die Bürger und Bürgerinnen sich wechselseitig Rechte zugestehen und alle das Recht haben, an der Gestaltung der gemeinsamen Lebensverhältnisse mitzuwirken, unabhängig davon, ob sie viel besitzen oder wenig, ob sie seit Generationen hier leben oder erst seit vorgestern.  Österreich ist hier ganz bestimmt kein Vorbild.

Wenn Geld mehr zählt und Gewinnstreben auf Kosten aller anderen und der Umwelt wichtiger wird als die Bedürfnisse aller Staatsbürger,  dann ist ein Staat verzichtbar. Dann kann man gleich eine Kultur, die dem Recht des Stärkeren folgt, etablieren.

Wenn es einer Gruppe von Menschen gelingt, in einem Staat auf Grund ihrer finanziellen Ressourcen  den öffentlichen Diskurs zu bestimmen und emotional besetzte Themen statt Sachthemen plakativ in den Vordergrund stellt und gleichzeitig Falschinformationen verbreitet, um Wahlen zu gewinnen, kann man dann eigentlich noch von Demokratie sprechen?                                                                                                                                                                             Die neoliberale Ideologie und das ist sie – eine von vielen Ideologien, keine Wissenschaft  – hat mit ihren Konzepten von der absoluten Freiheit des Kapitals, die Unterwerfung der Gesellschaft unter den finanziellen Profit geebnet. Alle anderen gesellschaftlichen Konventionen, aber auch ethisch und moralische Vorstellungen, auf die die Gesellschaft einmal stolz war, werden nur mehr als Lippenbekenntnisse, quasi als Tarnung, gemeinsam mit dem, was wir Fake News nennen, unters Volk gebracht. Dazu gehört, dass sich eine rechte neoliberale Partei wie die ÖVP ständig auf das christlich jüdische Erbe beruft. Mit derselben Berechtigung könnte sich Luzifer – wenn es ihn gäbe – als Träger eines christlichen Erbes bezeichnen. Dazu gehört dass ÖVP und FPÖ seit Jahren ausschließlich die Migration zum Thema haben, statt leistbares Wohnen, ein funktionierendes Gesundheitssystem und gerechte Bezahlung der Arbeit mit gleicher Bezahlung für Frau und Mann.  Aber offensichtlich ist das dem Wahlvolk noch gar nicht aufgefallen. Die Demokratie ist in einer Falle aus dem Quasi-Informationsmonopol des Kapitals*** und der Unmöglichkeit heute noch Wahres von Falschem zu trennen, hoffnungslos gefangen.

Ein Spekulant wie Rene Benko kann mit Hilfe und lautstarker Unterstützung der neoliberalen ÖVP eine Firmengruppe an sich reißen, staatliche Förderungen kassieren und Steuerstundungen in der Höhe von 100 Millionen Euro bekommen. Beim Wiederverkauf macht er einen Gewinn von 300 Millionen und auf den Steuerschulden bleibt der Staat sitzen und gleichzeitig verlieren 1900 Menschen ihren Arbeitsplatz. Das ist neoliberale Politik.

Weltweit ist auf Grund der digitalen Übermacht  des Finanzkapitals die Demokratie  auf dem Rückzug oder nur noch als  Relikt  in der einen oder anderen Protestbewegung vorhanden ohne von gesellschaftlicher Relevanz zu sein. Vom 160 Staaten werden 70 autoritär regiert. Es wird Zeit, das zu ändern.  Dass sich die Menschen immer und überall gleich verhalten, wissen wir inzwischen: Macht korrumpiert und absolute Macht korrumpiert absolut. Das gilt für Kapitalismus und Kommunismus gleich. Das muss man allen Politikern ins Stammbuch schreiben.  Auch wenn die Rechten – wir haben es gerade erlebt – sofort das  Marxismus-Kommunismus-Gespenst aus der Mottenkiste holen,  gibt es für die Zukunft keine Alternative. Nur eine gerechte Gesellschaft, in der soziale Spannungen durch eine allgemeine Partizipation am Wohlstand – also durch linke Politik – vermieden werden, ist den Herausforderungen der Zukunft gewachsen.

Es zählt bis heute zu den größten Anforderungen an ein  Staatswesen, den Bedürfnissen aller Menschen gleichermaßen gerecht zu werden.  Jeder Mensch ist anders, jede Gesellschaft besteht aus vielen einzelnen Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Voraussetzungen, individuellen Biografien und eigenen Lebenskonzepten.

Linke Politik ist der Versuch den Staat und seine Institutionen so zu gestalten, dass ausreichend Freiräume für die individuelle Entfaltung eines jeden, aber auch für die  Entwicklung von Handel und Unternehmen bestehen, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren. Dazu gehört, dass realpolitisch der Akkumulation riesiger Vermögen und damit von Machtpositionen Einzelner Grenzen gesetzt werden und das Solidarität kein Lippenbekenntnis bleibt.

Während Totalitarismus meist auf einmal getroffenen Entscheidungen beharrt, auch wenn sie falsch sind, ist linke Politik immer in Entwicklung, ist sich immer des experimentellen Charakters jeglicher menschlicher Gesellschaft bewusst. Dabei geht es nicht – wie Albert Camus es gesagt hat – um Moral, „denn die Moral führt zu Abstraktion und zu Ungerechtigkeit. Sie ist die Mutter des Fanatismus und der Verblendung. Wer moralisch ist, muss Köpfe abschneiden“. Es geht vielmehr um eine gerechte Gesellschaft.

Linke Politik muss zudem eine Antwort auf das dringlichste Problem der Zukunft finden: Die Erde ist krank und bekommt Fieber. In zahlreichen Ausschüssen treffen sich weltweit Politiker, um darüber zu beraten. Aber außer, dass sie zumindest inzwischen zur Kenntnis nehmen, dass die Wissenschaft die Daten richtig interpretiert und das Fieber steigt, tun sie nichts. Sie sagen der Patient hat Fieber und man müsste das Fieber senken, sonst stirbt er. Dann gehen sie wieder nach Hause.  Linke Politik muss also grün werden und sie muss den Menschen vermitteln, dass man den Konsum bei begrenzten Ressourcen nicht ewig ausweiten kann.

Dazu sagt der ehemalige Präsident von Uruguay Jose Mujica genannt El Pepe: „Millionen warten unter dem Tisch darauf, dass ein paar Brösel herunterfallen. Man holt die Menschen aus der Armut und sie wollen konsumieren, und zwar immer mehr und mehr. Was die Linke tun muss, ist das zu erklären, dass es nicht um fortgesetzten Konsum geht.“

Politiker haben kein Interesse an Veränderungen. Einmal mit Macht ausgestattet haben sie kein Interesse unpopuläre Maßnahmen zu setzen. Das hieße Wählerstimmen verlieren und damit den Platz in der Öffentlichkeit mit seinen Privilegien zu verlieren. Das macht es so verdammt schwer auch für die engagierten linken Politiker wirkliche Änderungen herbeizuführen. Änderungen, die den Kontext des gesellschaftlichen Lebens in einem demokratischen Staat wieder in eine Richtung lenken, die nicht nur darauf zielt, den sozialen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen, sondern die auch ein radikales Umweltkonzept vorantreiben – ohne das wird es nicht gehen.

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*In erster Linie, um die eigenen Absichten zu verschleiern, wobei sie auch nicht vor vollkommen irrationalen Argumenten zurückschrecken. Man denke an den Irrsinn des Donald Trump oder die weltfremden und wissenschaftsfernen Positionen, die die FPÖ während der Coronakrise einnahm.

**Wie der Begriff – Links – instrumentalisiert wurde, um soziale Politik zu diskriminieren, zeigt die  Mc Carthy Ära in Amerika. Unter dem Vorwand Kommunisten zu verfolgen wurde alles, was dem kapitalistisch denkenden Establishment zuwider war, unterdrückt und eine regelrechte Jagd auf alles, was nur irgendwie links erschien, veranstaltet. Im Zuge der staatlich forcierten Schaffung der neuen Feindbilder „Sowjetunion“ und „Kommunismus“ wurde vor allem vom rechten Flügel der Republikanischen Partei in den USA eine wahre Hetzjagd veranstaltet. Zahllose Menschen wurden ohne Beweise beschuldigt und beruflich ruiniert.

***Der Großteil der Medien befindet sich in den Händen finanzstarker Gruppen. ZB Rene Benko als Miteigentümer der Kronenzeitung.Werbung

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